Aktuelles26.01.2022

Haushaltsrede der BMU-Fraktion für das Jahr 2022

Bei der Gemeinderatssitzung am 25. Januar 2022 wurde der städtische Haushaltsplan beschlossen. Unser Fraktionschef Helmut Fischer nahm dies zum Anlass, im Angesicht der Unwetterereignisse des vergangenen Sommers auf die Notwendigkeit des Kliamschutzes einzugehen. Bisher wurde diesem in Besigheim nur eine unauffällige Stellung eingeräumt. Die Uhr tickt, weshalb es nun endlich gilt anzupacken.

Sicht auf die Besigheimer innenstadt bei Nacht
© Anne Posthoff

Sehr geehrter Herr Bürgermeister, sehr geehrte Damen und Herren der Stadtverwaltung, liebe Kollegin und Kollegen des Gemeinderats, meine Damen und Herren,

hinter uns liegt – einmal mehr – ein Jahr, das uns besonders herausgefordert hat. Zum Andauern der Coronapandemie und den immer deutlicher wahrnehmbaren Klimaveränderungen kam noch die uns alle erschreckende Hochwasserkatastrophe in mehreren Bundesländern hinzu. Die abstrakt prognostizierten Folgen der Entwicklung des Weltklimas sind hierdurch direkt vor unserer „Haustüre“ sichtbare Realität geworden und somit konkret ins Bewusstsein getreten. Das ist die globale Kulisse vor der nun das Szenario des Besigheimer Haushalts für das Jahr 2022 spielt.

Und dort geht es um gewaltige Zahlen für – wie Sie es ausgedrückt haben, Herr Bühler – begonnene Mega-Projekte, um die sich – so Ihr Slogan – alles dreht. Bei einem Gesamthaushaltsvolumen von rund € 56 Mio. sind allein schon € 11,6 Mio. für Investitionen eingebucht. Und das ist nur ein Viertel oder sogar ein Fünftel dessen, was wir in den nächsten wenigen Jahren überwiegend per Kreditaufnahme zu schultern haben werden. **Mit dem sich hieraus ergebenden Kapitaldienst werden künftige Gemeinderatsgremien jahrzehntelang zurechtkommen müssen. Dabei werden die mageren Jahre erst noch kommen, wie unser Stadtkämmerer überzeugend dargestellt hat.**Dass sich der Schuldenstand pro Einwohner – allein im Kernhaushalt – von Anfang 2022 bis Anfang 2025 von € 218 auf € 1.753 erhöhen wird, ist schlichtweg erschreckend!

Hier und heute spielt aber auch die Zahl 15 eine Rolle, denn wir Fraktionsvorsitzende sind übereingekommen, unsere Stellungnahmen auf zirka 15 Minuten zu beschränken, was – eingedenk dessen, was alles zu sagen wäre – eher knapp bemessen ist.

Von daher werde ich gewisse Schwerpunkte meiner Ausführungen auch auf Themen legen, auf die – mutmaßlich – von den anderen Fraktionen vielleicht nicht in dem Maße eingegangen wird, wie wir das für angemessen erachten.

Der vorliegende Haushaltsplanentwurf ist bereits der vierte, der nach dem NKHR, dem Neuen Kommunalen Haushalts- und Rechnungswesen aufgestellt worden ist. Bereits im April 2009 vom Landtag beschlossen, kam die Umstellung von der Kameralistik nur sehr schleppend voran und wurde von den Kommunalverwaltungen mit Skepsis begleitet. Zur Frage der Vorteile dieses neuen Systems bewerten wir den Erkenntnisgewinn als sehr begrenzt. Für uns Ratsmitglieder – und ich denke, da kann ich für alle sprechen – ist es aufgrund verschlechterter Transparenz schwieriger geworden einzelne Aufwendungen und Erträge im Detail zu erschließen. Ohne Hilfe der Stadtkämmerei, der ich an dieser Stelle für die gute Arbeit danke, ist es oftmals nicht möglich zu erkennen, was unter manchen Kostenstellen subsumiert ist. Das haben die in den Ausschüssen eingebrachten Hinterfragungen deutlich belegt. Ich stelle daher die Frage – so wie das jüngst Herr Hollenbach, Vorsitzender der CDU- Fraktion im Kreistag, getan hat – welchen Mehrwert uns die Umstellung von der Kameralistik auf das NKHR gebracht hat.

Jetzt aber zu den Eckpunkten dieses Plans: Mit den Aufwendungen für unsere Schulen, die sich wohl über ein gutes Jahrzehnt hinweg ziehen werden, geht es jetzt – angefangen mit der Primarstufe und der Bereitstellung der Interimsunterbringung – so richtig los und diese beanspruchen mit annähernd 8 Mio. € auch den „Löwenanteil“ der diesjährigen Investitionen. Was an Gesamtkosten für die Schulsanierungen unausweichlich auf uns zukommt, wurde in den letzten Jahren immer klarer. Das „Ob“ war unstrittig, aber über das „Wie“ wurde engagiert diskutiert. Zuletzt über die Standortfrage der Container für die Interimsunterbringung der Schülerinnen und Schüler. Die Entscheidung war knapp und es bleibt zu hoffen, dass auch die Skeptiker mit dem eingeschlagenen Weg zurechtkommen, wobei ich hier insbesondere an die betroffenen Pädagoginnen und Pädagogen denke. Es wird sich dann auch zeigen, ob in diesem Zusammenhang der Verzicht auf die Schaffung einer Raumreserve für eine Kindertagesstätteneinrichtung richtig war, oder ob als Folge dann für andere Lösungen zusätzlich Geld in die Hand genommen werden muss.

Die Investitionen in die Kinderbetreuungseinrichtungen werden in den nächsten Haushaltsjahren jedenfalls eine größere Rolle spielen.

Der vor der Verabschiedung stehende Flächennutzungsplan, mit dem unsere Fraktion kritischer umgeht, als die Mehrheit im Gremium, generiert erste haushaltswirksame Planungen, so der pauschalierte Ansatz für die Entwicklung von Neubauland. Wir stehen zu den einstimmig beschlossenen baulandpolitischen Grundsätzen, fragen uns aber, was auf uns zukommt, wenn wir konsequent die Grundstücke auserkorener Gebiete in unser Eigentum bringen wollen. Es steht in den Sternen, ob dann diese Ansätze ausreichen.

Im Übrigen haben Sie, sehr geehrter Herr Bürgermeister, bei der Einbringung des Haushaltsplans hervorgehoben, welche Zielkonflikte bei der Entwicklung neuer bebaubarer Flächen auf uns zukommen.

Im Landkreis hat fast die Hälfte aller Kommunen die Erarbeitung solcher Konzepte bereits in Auftrag gegeben. Auf Nachfrage wurden wir informiert (vgl. meine Bemerkungen zur Transparenz des NKHR), dass unter einer Haushaltsstelle des Eigenbetriebes Abwasserbeseitigung 40 T€ für ein Starkregenmanagement eingestellt sind. Wir legen Wert darauf, dass dieser Betrag unverzüglich für die Beauftragung eines Fachbüros eingesetzt wird. Und auch auf eine Gesamtbetrachtung der Gemarkungsfläche, also inklusive des Stadtteils Ottmarsheim.

Somit beim Thema Klimaschutz angekommen, meine Damen und Herren, müssen wir – wie schon in den Vorjahren bemängelt – feststellen, dass dieser auch in diesem Haushaltsplan eine bestenfalls unauffällige Rolle spielt.

Wie sollen die von der Bundesregierung definierten und auf europäischer Ebene abgestimmten Klimaziele erreicht werden, wenn nicht auch an der Basis unserer Gesellschaft – das heißt auch in jeder Kommune – Zielvorgaben definiert und konsequent verfolgt werden? Der Ausstieg aus der Kohle und das Umswitchen auf die Elektromobilität reicht nicht aus, um die anthropogen verursachten Emissionen auf ein vertretbares Maß zu reduzieren. Unser Slogan hierzu heißt **„Die Uhr tickt“ – und wenn wir bis zum Jahr 2030 das Ruder nicht herumgerissen haben, dann sind fatale Entwicklungen nicht mehr umkehrbar!**Da ist sich die Wissenschaft einig.

Wie und wann definiert (und zwar mit Zeitschiene) die Stadtverwaltung ihre Klimaschutzziele, mit denen unsere Stadt dazu beitragen kann und muss, dass die Zielmarken des Pariser Klimaschutzabkommens erreicht werden? Als praktisches Beispiel nennen wir die bereits beschlossene Pelletheizungsanlage im Schulzentrum, deren Realisierung wir zeitnah fordern. Wo ist die Stelle – aus unserer Sicht notwendigerweise im Rang einer Stabsstelle oder Amtsleitung – im Besigheimer Rathaus, die sich damit befasst und sämtliche möglichen Maßnahmen koordiniert und voranbringt? Und die auf diesem Weg die Bürgerschaft mitnimmt, indem sie aufzeigt, was jede/r Einzelne zum Klimaschutz beitragen kann. Es geht um unser aller Zukunft, wir sitzen alle im selben Boot. Damit ich richtig verstanden werde: Es soll nicht Aufgabe der Stadtverwaltung werden, die Bevölkerung aufsuchend zu informieren, aber Beratungsangebote sollten gemacht werden und es sollte appelliert werden, diese wahrzunehmen. Und hier drängt sich geradezu eine Mitgliedschaft bei der LEA – Ludwigsburger Energieagentur – auf. Denn genau diese Agentur hat die Kompetenz praktische Empfehlungen zu geben, sie kennt die Erfolg versprechenden Strategien, die Bereitschaft der Bürgerinnen und Bürger zu wecken.

Weil es offensichtlich noch Info-Defizite bezüglich dessen gibt, was die LEA leisten kann, beantragen wir heute noch nicht den Beitritt, wie dies bereits 32 von 39 Kreiskommunen aus gutem Grund getan haben, sondern beantragen, dass einem/einer Vertreter/in der LEA im laufenden Halbjahr Gelegenheit gegeben wird, den Gemeinderat über die Konzepte und Hilfestellungs-möglichkeiten der Organisation im Kampf gegen die Klimaveränderung zu informieren.

Noch mal zurück zur Definition der städtischen Klimaschutzziele: Das, was unsere Nachbarkommunen Freudental und Kirchheim a.N. mit ihren Nahwärmekonzepten vorangebracht haben, hat für uns Vorbildcharakter. Sollte es zur Ausweisung von Neubaugebieten kommen, so gehen wir davon aus, dass dann hierfür niemand eine Nahwärmeversorgung in Frage stellt. Was aber machen wir im Bestand? Die Bewohner der Altstadt, beispielsweise, haben keine Chance ihre denkmalgeschützten Häuser effektiv zu dämmen. Auch der Abschied von Heizungsanlagen mit fossilen Energieträgern wird nur in wenigen Fällen möglich sein. Warum überlegen wir uns nicht, ob und wie wir hier durch ein erweitertes Nahwärmenetz Abhilfe schaffen können? Wir müssten hierzu das Rad nicht neu erfinden, denn in den genannten Kommunen hat die Energiegenossenschaft Raum Besigheim e.V. maßgebliche Unterstützung geleistet und die dortigen Maßnahmen federführend begleitet. Wäre es nicht sinnvoll, eine/n Vertreter/in dieser Bürgergenossenschaft einzuladen und sich die Möglichkeiten einer Unterstützung/Beteiligung aufzeigen zu lassen?

Das Enzparkprojekt kann auch in dieser Stellungnahme nicht unerwähnt bleiben. Die Aufwendungen für den Südpark sind im Wesentlichen geflossen und was wir für die Umgestaltung des nördlichen Bereiches in den Jahren 2023 bis 2025 aufwenden wollen, zeigen uns die Planansätze für diese Haushaltsjahre. Reduziert um zu erwartende Zuweisungen des Landes und des VRS würden von uns – so die derzeitigen Aussichten – 2,1 Mio. € zu erbringen sein.

Aber da gibt es ja noch die Planung der so genannten „Brücke im Nordpark“. Auf deren Sinnhaftigkeit sind Sie, sehr geehrter Herr Bühler, sowohl bei der Einbringung dieses Planes, wie auch in Ihren Pressestatements ausführlich eingegangen. Es wird Sie und das Gremium nicht überraschen, dass uns Ihre Ausführungen nicht überzeugt haben. Sie weisen auf die Vorteile einer Verkürzung des Weges zum Bahnhof für die Altstadt- und Burgackerbewohner hin. Nun bin ich ein Burgackerbewohner und habe in zirka 20 Jahren meines Berufslebens den Weg zum Bahnhof überwiegend zu Fuß zurückgelegt. Ich habe hierfür keine 10 Minuten gebraucht und bei sehr widrigem Wetter, habe ich auch schon mal den Bus von einer der drei Buslinien, die über den Kelterplatz fahren, in Anspruch genommen.

Unbestritten ist die Hauptstraße mit der Verlängerung in die Bahnhofstraße die Aorta der Besigheimer Innenstadt. Die für diesjährige Brückenplanungskosten i.H.v. € 100.000 eingestellte Summe missfällt uns sehr und wir sehen sie lediglich als vorsorglich für den Fall vorgesehen, dass der Gemeinderat sich für den Bau dieser Brücke aussprechen sollte, wovon wir nicht ausgehen. Es wäre natürlich fatal, wenn diese Planungskosten dafür aufgebraucht werden, um uns für unsere Entscheidung detaillierte Pläne vorzulegen. Wir fordern daher, dass eine entsprechende Beschlussfassung auf der Grundlage einer Grobplanung – einer Art Machbarkeitsstudie – herbeigeführt wird, die in diesem Falle genügen dürfte. € 30.000 sind hierfür ja bereits im Vorjahr gesetzt worden und wir haben – mit Ausnahme einer groben Ideensammlung an Brückenvarianten – noch nichts darüber gehört, welche Aufschlüsse die für dieses Geld erbrachten Leistungen gezeitigt haben. Zur Frage, ob vor einer Beschlussfassung hier weitere Gelder eingesetzt werden sollen, beantragen wir eine Grundsatzdiskussion.

Das Versteifen auf diese „Nice-to-have-Investition“ ist für uns als BMU-Fraktion besonders schmerzlich, weil es andere, geradezu notwendige Dinge gibt, die zum Teil auf der Seite 399 dieses Haushaltsplanes aufgeführt sind und Jahr für Jahr nach hinten verschoben werden. So eine Aufzugsanlage vom Bereich „Auf dem Kies“ hoch in die Altstadt beim Oberamtsgebäude. Dies nach dem Vorbild von Horb am Neckar oder Engen im Hegau, die ähnliche topografische Gegebenheiten in ihren Altstädten haben. Von dieser Anlage, die mit dem erschwinglichen Betrag von netto 500.000 € angegeben ist, hätten alle Bürger etwas: Altstadtbewohner, Kunden der Geschäfte, der Gastronomie und Dienstleister, Touristen, Konzert- und Kirchenbesucher etc.. Ein barrierefreier Zugang, für den sich bislang eine Vielzahl von Bürgerinnen und Bürgern, wie auch Institutionen wie BdS, MCB und der Sozialverband VdK ausgesprochen haben. Warum kann so eine vernünftige Sache nicht vorangebracht werden? Und jetzt flackert aber ein kleines Lichtlein der Hoffnung auf: Unserem letztjähriger Antrag, im diesjährigen Haushaltsplan die Kosten für eine Machbarkeitsstudie vorzusehen, wurde Rechnung getragen, wie ich aber erst gestern ergründen konnte und was als weiteres Beispiel für die unzureichende Transparenz des Haushaltsplanes angeführt werden kann: Auf der Seite 170 findet sich die Kostenstelle 4271 0000, zu der eine Fußnote aussagt, dass für „Sonstiges“ € 50.000 eingestellt sind. Und – vielen Dank, Herr Bühler – dass Sie mir versichert haben, dass hiervon zirka € 15.000 für die besagte Machbarkeitsstudie eingesetzt werden können.

Ein weiteres unter der erwähnten Rubrik auf der Seite 399 aufgeführtes Projekt kann man – wenn man so will – auch unter die Kategorie „Nice-to-have“ einordnen, wir aber fänden es sehr angebracht, endlich konkrete Überlegungen anzustellen, wie wir zu einer städtischen Galerie oder einem Haus der Stadtgeschichte kommen könnten. Was die Museumsangebote betrifft, sind wir unter den 3B-Städten einsames Schlusslicht. Das wird unserer Stadtgeschichte und unserem Ruf als Malerstadt nicht gerecht, ist geradezu ein Makel. Eine solche Einrichtung würde das Gesamtpaket unserer touristischen Angebote ganz erheblich aufwerten.

Noch zwei Sätze zu den Plänen der Sportvereinigung Besigheim e.V.: Es gibt gute Gründe die Wünsche und Anregungen wohlwollend aufzunehmen, bestehen doch zwischen unserem größten Verein und der Stadt Besigheim geradezu symbiotische Beziehungen. Um die Vorstellungen zu präzisieren und deren Umsetzbarkeit zu prüfen, ist der nun vorgeschlagene Weg zu einem Runden Tisch sicher ein richtiger Ansatz.

Damit will ich schließen aber – wie eingangs schon angedeutet – betonen, dass wir in der Fraktion zahlreiche weitere erwähnenswerte Themen diskutiert haben, aber diese in der gebotenen Kürze nicht unterbringen konnten. Zum Teil waren diese auch schon Gegenstand der letztjährigen Stellungnahme, wie beispielsweise zur öffentlichen Sicherheit und Ordnung, zu den Bedürfnissen unserer Jugendlichen, zum ÖPNV, oder zu den Belangen des Fahrradverkehrs.

Wir stimmen diesem Haushaltsplan trotz einiger kritisch zu hinterfragenden Positionen zu. Haushaltsrelevante Anträge stellen wir heute nicht, sondern werden dies unterjährig tun und gegebenenfalls eine Berücksichtigung im Haushaltsplan des Folgejahres einfordern.

Meine Damen und Herren, aus Gründen der vereinbarten Redezeit sage ich nun nur noch ganz pauschal Dank allen haupt- und ehrenamtlich engagierten Menschen, die im vorigen Jahr zum Wohle unseres Gemeinwesens gewirkt haben. Es gab zwar kein Winzerfest und auch sonst wenig zu feiern, tröstlich aber, dass das 50jährige Jubiläum der Vereinigung mit Ottmarsheim nicht ganz untergegangen ist und im eingeschränkten Rahmen gewürdigt werden konnte.

Ich bedanke mich für Ihre/Eure Aufmerksamkeit.

Die Haushaltsrede 2022 als PDF zum Download.

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